Geschichte Myanmars / Burmas
Myanmar ist ein Land in Südostasien mit einer geschätzten Einwohnerzahl von gut 54 Millionen. (World Bank 2023) Bis 1948 war es eine britische Kolonie. 1962 gab es den ersten Militärputsch und 1995 wurde die prominenteste Figur der Demokratiebewegung, Aung San Suu Kyi, bis 2010 unter Arrest gestellt. Obwohl das Militär nicht immer regiert hat, war Myanmar seit Abzug der Kolonialherren bis heute die meiste Zeit einer Militärdiktatur unterworfen.
Trotzdem konnte die Demokratiebewegung im Jahr 2012 eine Öffnung des Landes erkämpfen. Ein bürgerliches Parlament wurde eingerichtet und Aung San Suu Kyi zur „de facto Regierungschefin“. Nur de facto, weil die Militärjunta ein Gesetz durchgesetzt hatte, demzufolge Menschen, deren Kinder eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen, nicht offiziell Präsident:in werden können. Und Aung San Suu Kyis Sohn hat die britische Staatsbürgerschaft, weswegen sie dieses Amt also nicht übernehmen konnte.
Obwohl es in der Zeit zwischen 2011 und 2021 offiziell ein bürgerliches Parlament gab, behielt sich auch in dieser Phase das Militär 25% der Sitze in eben diesem Parlament vor. Die Märkte wurden liberalisiert, z.B. im Telekommunikationsbereich, und die staatliche Kontrolle zurückgefahren. Im Jahr 2012 wurde die staatliche Zensur formell abgeschafft. (Jørgensen 2019)
Das Land ist in urbane und ländliche Regionen gespalten: Als die Briten 1948 die Region verließen, gründeten sie „Burma“, und verschiedene ethnische Gruppen wurden im Staat Burma zusammengefasst. Die Mehrheit bildeten von Anfang an die Burmesen und es kam zu Spannungen mit den anderen ethnischen Gruppen, die nun als Minderheiten in den Grenzregionen lebten. Die starken Spannungen zwischen Burmesen und „nicht-burmesischen“ Minderheiten nahmen auch durch die demokratischen Reformen, die 2011 gestartet wurden, nicht ab. Es gab immer wieder bewaffnete Konflikte zwischen der burmesischen Mehrheit und den ethnischen Minderheiten. (ebenda) Die bekannteste ethnische Gruppierung sind wohl die Rohingya: Viele von ihnen sind in den vergangenen Jahren nach Bangladesch geflohen und leben mittlerweile im größten Flüchtlingscamp der Welt, in der Nähe von Cox’s Bazar.
Nach Wahlbetrugsvorwürfen im November 2020 gab es dann erneut einen Militärputsch am 1. Februar 2021. Die Armee unter Kommandant Min Aung Hlaing sicherte sich die Kontrolle über alle Regierungszweige, verhaftete Aung San Suu Kyi und andere Mitglieder der bürgerlichen Regierung und verhängte den Notstand.
Wenige Tage nach dem Coup gingen zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen das Militär zu demonstrieren. In den Tagen danach breitete sich der Protest im ganzen Land aus. Es gab Streiks bei der Bahn, im Gesundheits- und Bildungswesen, unter Mienen- und Textilarbeiter*innen, im öffentlichen Dienst, in der Logistik und bei vielen anderen Arbeitszweigen, die im März 2021 in einem Generalstreik kulminierten und aus dem das „Civil Disobedience Movement“ hervorging. (The Guardian 2021) Ganz Vorne mit dabei: die Federation of General Workers Myanmar (FGWM).
Die Arbeiter*innen wollten die Diktatur unmöglich machen. (Ratcliffe 2021) Da der Generalstreik die Junta aber nicht zu einer Kapitulation bewegen konnte, wurde von einer breiten Gewerkschaftsallianz in Myanmar dazu aufgerufen „umfassende ökonomische Sanktionen“ gegen das Land zu verhängen, um damit die Militärregierung ausbluten zu lassen. (IndustriALL 2021) Besonders große Öl- und Gasfirmen sind dazu aufgerufen, ihre Investitionen in Myanmar und ihren Handel mit Akteur:innen der Junta einzufrieren. (Justice for Myanmar 2021). Einige Unternehmen haben sich daraufhin aus dem Land zurückgezogen.
In den ersten Wochen nach dem Putsch waren Großdemonstrationen noch möglich. Die erste Demonstrierende wurde drei Wochen später vom Militär erschossen. Daraufhin steigerte sich die Gewalt gegen die Opposition immer weiter. Demonstrationen waren bald gar nicht mehr möglich, aber der Protest wurde zeitweise kreativer: Die Menschen schlugen auf Töpfe, Pfannen und alles was Lärm macht und organisierten kleinere, schnellere Flashmobs. (The Guardian 2021) Inzwischen ist auch das kaum noch möglich.
Das Militär brennt sogar ganze Dörfer nieder, wenn ihre Bewohner:innen im Verdacht stehen, die Widerstandsbewegung zu unterstützen.
In der Folge haben sich immer mehr – vor allem junge Menschen – dem bewaffneten Widerstand angeschlossen, welche aus dem Dschungel in den Grenzregionen heraus agiert. Aus dem Civil Disobedience Movement – mit Unterstützung der Exilregierung NUG (National Unity Government) – sind zahlreiche bewaffnete Einheiten, die People’s Defense Forces (PDF) entstanden. Burmes:innen aus den größeren Städten schließen sich immer wieder bewaffneten Rebelleneinheiten an, die sich teilweise von ethnischen Minderheiten ausbilden lassen und gemeinsam mit ihnen gegen die Militär-Junta kämpfen. (ebenda) (The Straits Times 2021) Während in den vergangenen Jahrzehnten die bewaffneten Einheiten der ethnischen Minderheiten hauptsächlich getrennt voneinander agiert haben, verbünden sie sich nun untereinander und sind mit Allianzen wie der 3-Brotherhood-Alliance teilweise sehr erfolgreich: Im Oktober 2023 eroberten sie zum Beispiel gemeinsam eine Grenzstadt zu China und gewannen damit die Kontrolle über einen strategisch wichtigen Grenzübergang. Dieser Erfolg markierte einen Wendepunkt: Bisher kämpften die Rebellen hauptsächlich darum, ihre Territorien gegen das Militär zu verteidigen. (Thit 2024) Seit der sogenannten „Operation 1027“ konnten sie immer wieder sogar Gebiete von derJunta erobern.
In Myanmar herrscht also Bürgerkrieg: Sexuelle Gewalt wird vom Militär als Waffe gegen die Bevölkerung und als Mittel zur Einschüchterung verwendet. Um die Widerstandsbewegung zu verunsichern, werden sogar Kinder vor den Augen ihrer Eltern getötet. Immer wieder kappt die Junta das Internet, besonders in Regionen, in denen die gegnerische Seite besonders stark geworden ist.
In einem Al Jazeera Artikel beschreibt die Autorin die Situation wie folgt:
„Als Antwort auf den bewaffneten Widerstand hat das Tatmadaw (Name der des Militärs in Myanmar, Anm. d. R.) wahllose Luft- und Bodenschläge in zivilen Gegenden gestartet, womit sie seit dem Coup bereits 230.000 Menschen aus ihrer Heimat vertrieben haben. Sicherheitstruppen haben außerdem Häuser geplündert und abgebrannt, den Zugang für Hilfsgüter unterbunden, die Wasserzufuhr gedrosselt, Telekommunikationsnetze gekappt, Flüchtlingsunterkünfte bombardiert und Freiwillige, die humanitäre Hilfe leisten wollten verhaftet und umgebracht.“ (Fishbein 2021)
Fast 30 000 politisch motivierte Festnahmen und mehr als 6 600 Tote – das sind die nachgewiesenen Zahlen nach mehr als vier Jahren Militärdiktatur in Myanmar. (AAPP 2025)
Der Umstand, dass das Militär kaum internationale Hilfe ins Land lässt, ist vor allem in den vergangenen Wochen zu einem größeren Problem geworden: Ende März hat es ein schweres Erdbeben in Myanmar gegeben, das Epizentrum lag in der Nähe von Mandalay, der zweitgrößten Stadt im Land. Tausende sind dabei ums Leben gekommen, lebenswichtige Infrastruktur wurde zerstört. In den ersten Tagen sind zwar Hilfskräfte aus China, Indien und Thailand ins Land gelassen worden, doch wenige Tage später, als keine Chance mehr bestand, Überlebende zu finden, zogen sie wieder ab. Seitdem sind die Menschen wieder auf sich allein gestellt. Viele, vor allem in abgelegenen Regionen, hat die dringend benötigte Hilfe nie erreicht. Die offizielle Opferzahl liegt bei weniger als 4 000 Toten. Schätzungen zufolge könnten die realistischen Zahlen jedoch bis in den fünf- oder sogar sechsstelligen Bereich gehen. (Cleven 2025) Die Junta versucht zu verhindern, dass solche Informationen das Land verlassen – oder überhaupt erst ermittelt werden. Den Überlebenden in den betroffenen Regionen rund um Mandalay oder Sagaing drohen nun außerdem Seuchen, da die Toten kaum fachgerecht bestattet werden konnten.
Da Gewerkschaften in Myanmar verboten sind, haben sich die Arbeitsbedingungen dort seit dem Putsch 2021 massiv verschlechtert. Auch hier gibt es Textilfabriken, wie in China oder Bangladesch. Die Arbeiter*innen arbeiten unter schlechten hygienischen Bedingungen, für einen Hungerlohn, sie haben kaum Urlaubstage und arbeiten meist sechs Tage die Woche, wobei sie fast täglich Überstunden machen müssen.
Quellen:
- AAPP (2025): Assistance Association for Political Prisoners. Assistance Association for Political Prisoners. https://aappb.org, 08.05.2023
- BBC (2021): Danny Fenster: US journalist freed from Myanmar jail. In: BBC News.
- Cleven, Thoralf (2025): „Auf jeden Fall werden die Opferzahlen sehr hoch sein“ – Interview zur Situation in Myanmar mit Henry Braun von der Welthungerhilfe. rnd.de/panorama/erdbeben-in-myanmar-experte-befuerchtet-dramatische-opferzahlen, 06.05.2025
- Fishbein, Emily (2021): Myanmar military adopts ‘four cuts’ to stamp out coup opponents. https://www.aljazeera.com/news/2021/7/5/the-people-hate-them-more-indiscriminate-attacks-on-civilians, 31.01.2022
- Funakoshi, Minami/Januta, Andrea (2021): Myanmar’s internet suppression. Reuters. https://graphics.reuters.com/MYANMAR-POLITICS/INTERNET-RESTRICTION/rlgpdbreepo/, 02.08.2021
- IndustriALL (2021): IndustriALL supports campaign for comprehensive economic sanctions against Myanmar junta. IndustriALL. http://www.industriall-union.org/industriall-supports-campaign-for-comprehensive-economic-sanctions-against-myanmar-junta, 07.12.2021
- Jørgensen, Karen H. (2019): The Meaning of Internet Access in Myanmar
- Justice for Myanmar (2021): How oil and gas majors bankroll the Myanmar military regime | Justice For Myanmar. https://www.justiceformyanmar.org/stories/how-oil-and-gas-majors-bankroll-the-myanmar-military-regime, 07.12.2021
- Lau, Jessie (2021): Myanmar’s Women Are on the Front Lines Against the Junta. Foreign Policy. https://foreignpolicy.com/2021/03/12/myanmar-women-protest-junta-patriarchy-feminism/, 15.11.2021
- Ratcliffe, Rebecca (2021): Myanmar protesters hold general strike as crowds push for “five twos revolution.” In: The Guardian.
- The Guardian (2021): The nights of pots and pans are back, on Myanmar’s fearful streets. In: The Guardian.
- The Straits Times (2021): Hundreds of Myanmar activists hold flash mob protest against military rule. In: The Straits Times.
- Thit, Nayt (2024): „How Operation 1027 Transformed War Against Myanmar Junta“. irrawaddy.com/news/war-against-the-junta/how-operation-1027-transformed-war-against-myanmar-junta, 06.05.2025
- World Bank (2023): Population, total – Myanmar. data.worldbank.org, 06.05.2025